Startseite

Überaus "reizend": Traubenkraut, Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia)

Reizendes Traubenkraut (Ambrosia artemisiifolia) - Aquarell von Wally Wukowitz

Grad war's noch eine Freud', dich anzutreffen:
Die Chance war klein und währte wen'ge Wochen -
verwunschnes Findelkind, das so viel Wärme braucht!
Verschleppt mit Hanfsaat, Helianthus-Kernen.
warst allerorten auf verlornem Posten.
Doch nun ist's wärmer und da lässt sich's reisen
als blinder Passagier auf Autobahnen.

Bist kaum als Straßenmädchen aufgestellt,
treibst du's auch schon in Feldern und Rabatten,
verschämt bedacht, die Sippschaft zu verschleiern:
Was als ihr Zeichen die Verwandten aufrecht tragen
? oft bunt und prangend, voller Stolz ,
kehrst, Ton in Ton, du ganz der Erde zu.

Und während sie den Kerfen sparsam
den goldnen Puder anvertrauen,
vergeudest du ihn hurtig an den Wind.
Doch damit reizt du über alle Maßen,
bist du zum Medien-Unstern aufgestiegen -
gefürchtet und als Staatsfeind, abgestempelt,
gesucht mit Steckbrief und mit Eifer ausgemerzt.

Ambrosia, du dauerst mich!
Hüt' dich vor mir: Auch ich jag' dich!

W. A. Zahlheimer, 26.5.07
Den bereits vor Wochen entfesselten Kampagnen zum Trotz wird das aus Nordamerika eingschleppte Traubenkraut auch heuer erst wieder im Hochsommer wirklich augenfällig - mit einer Blühzeit im Spätsommer und Herbst. Erst dann können die Pollen dieses windblütigen Korbblülers heftigen Heuschnupfen auslösen - während einer Jahreszeit, in der eigentlich "Ruhe" sein sollte. War die Pflanze vor 2006 in Niederbayern mit einer Ausnahme nur unbeständig an Vogelfutterstellen beobachtet worden (Beimengung in Vogelfutter), ist der einjährige, den Winter als Samenkorn überdauernde Neophyt mittlerweile bereits an Fernstraßenrändern eingebürgert, so konkret beobachtet an der A 3 zwischen Landesgrenze und Iggensbach und bei der Ausfahrt Metten, vermutlich aber auch schon an einer Reihe weiterer Stellen bzw. Straßen. - Von anderen Beispielen der jüngsten Vergangenheit wissen wir, dass die Ausbreitung über das Straßennetz sehr rasch erfolgen kann.
Parallel dazu taucht die Pflanze plötzlich auch in zum Teil ansehnlichen Beständen quer durch Niederbayern in Rabatten, Baugebieten, Brachflächen und sogar auf jungen Ökokontoflächen auf, also dort wo wenig bewachsener Boden zur Verfügung steht. Vermutlich ist dort verunreinigtes Saat- oder Pflanzgut ausgebracht worden. Eine Massenausbreitung ist in Sonnenblumenfeldern zu befürchten, - Den Grund für diese plötzliche Ausbreitung sehen wir in der Klimaerwärmung, die mit einer Verlängerung der Vegetationsperiode verbunden ist.
Schutzwürdige Lebensräume werden vom Traubenkraut wohl nur in Ausnahmefällen gefährdet, so dass die derzeitige Ausbreitung den Naturschutz nur randlich berührt. Gefordert sind in erster Linie die Gesundheitsbehörden, die Straßenbau- und Landwirtschafsverwaltungen. Trotzdem sollte jeder seinen Beitrag leisten, um der Ausbreitung dieses Gewächses Einhalt zu gebieten. Dies gilt umso mehr, als das Traubenkraut eine langlebige Samenbank aufbauen kann: Die Samen (oft über 5.000/Pflanzen) scheinen ihre Keimfähigkeit mindestens 40 Jahre lang zu behalten. Damit kann es auch zu langfristigen Unkrautproblemen kommen.
Zur Bekämpfung: Am Besten vor der Blütezeit ausreißen, verwelken lassen und kompostieren oder über Biotonne entsorgen. Bereits blühende oder fruchtende Pflanzen dagegen in die Restmülltonne und bei bereits vorhandenen Allergien oder größeren Mengen blÜhender Pflanzen eine Staubmaske tragen. Da das Traubenkraut bei Kontakt auch zu Hautreizungen führen kann, sollte der Körper bei der Beseitigung durch Kleidung geschützt werden. Wo Ausreißen nicht möglich ist, tiefer Schnitt im August und im Herbst mit Entsorgung der Biomasse. Ansonsten können mehrschürige Wiesennutzung bzw. dichte Bodenbedeckung durch ausdauernde Arten die Entwicklung von Traubenkraut-Pflanzen aus bereits im Boden vorhandenen Samen weitgehend verhindern.

Verwechselt werden kann das Traubenkraut am leichtesten mit dem (harmlosen) Gewöhnlichen Beifuß, Im Gegensatz zu diesem ist der Stängel aber abstehend behaart, den Blättern fehlt unterseits ein anliegender grauer Filz und anstelle eines derben Wurzelstocks sorgt ein Wurzelschopf aus dünnen Faserwurzeln für die Verankerung im Boden. Die Blütenkörbchen ähneln winzigen flachen, nach unten hängenden Lampenschirmchen. Gelegentlich erwecken auch Gänsefuß- und Meldengewächse Verdacht auf Traubenkraut. Ihre Blätter sind aber ungeteilt.
Weitere Informationen: www.ambrosiainfo.de, www.ambrosia.de und www.cps-skew.ch/deutsch/ambr_art_d.pdf. - Haupt-Anlaufstellen für Fragen zur Pflanze sind die Kreisfachberater für Gartenbau an den Landratsämtern.

Abschließend noch ein paar Worte zur deutschen Bezeichnung der Ambrosia: Gebräuchlich sind Namen wie Ambrosie, Beifuß-Traubenkraut, Beifußblättriges Traubenkraut, Hohes oder - gar ausgesprochen positiv - Aufrechtes Traubenkraut, ferner Taubenkraut. Ich bin generell sehr dafür, die psychologische Färbung der Artnamen zu nutzen, um berechtigte Sympathie (der Regelfall) oder Antipathie zu suggerieren. Ambrosie klingt angenehm melodiös-schmeichelhaft und passt insofern nicht zu unserem Gewächs, die erwähnten Traubenkraut-Attribute sind psychologisch indifferent, das "aufrecht" sogar ausgesprogen positiv eingefärbt. Ich plädiere daher für das doppelsinnige "Reizende Traubenkraut" - ähnlich wie beim Riesen-Bärenklau anstelle der respektheischenden "Herkulesstaude" für den "ätzenden Bärenklau".