"Wachsende" Gefahr - unduldsame Gewächse(Stand 19.08.2008)

Die gegenwärtige Beschäftigung mit Neophyten ist keine Modeerscheinung, sondern nicht nur aus Naturschutzgründen notwendig. So hat es mittlerweile auch das bis über 1 m hohe Traubenkraut (Ambrosia artemisiifolia) geschafft, sich zu etablieren. Dieser einjährige salzertragende Wärmekeimer aus Nordamerika mit seinen unscheinbaren Blütenkörbchen (Korbblütler!). wird vor allem als Bestandteil von Vogelfutter und als Saatgutvereinreinigung ausgebreitet. Seines allergenen Blütenstaubs wegen ist er gefürchtet und wird deshalb deutschlandweit aufmerksam verfolgt und auch bekämpft.Mehr
Ein gesundheitliches Risiko stellt auch der im wahrsten Sinne des Wortes ätzende Riesen-Bärenklau dar, der's mit jedem aufnimmt und zugleich zur Gruppe der unduldsame Neophyten zählt - eine im wahrsten Sinne des Wortes "wachsende" Gefahr für unsere schutzwürdigen Lebensräume sind. Eine solche ist besonders auch der Staudenknöterich der Große, der Eroberer. - Während das Traubenkraut unbeabsichtigt von Fahrzeugen weitertransportiert wird, trugen und tragen zur Ausbreitung der beiden anderen Arten unaufgeklärte Gartenbesitzer Entscheidendes bei, indem sie solche Pflanzen in Gewässernähe oder Überschwemmungslagen hegen oder aber ihre Abfälle unerlaubterweise im Gelände verteilen. Tragisch ist, dass sich größere Vorkommen der genannten Arten kaum mehr beseitigen lassen: Zu aufwendig und teuer gestalten sich solche Maßnahmen. Es ist daher notwendig, zu informieren, die Bestände zu überwachen und Neuansiedlungen sofort zu beseitigen

Bastard-Staudenknöterich (Fallopia x bohemica) an der Ilz bei Hals.
Auf Brachflächen und herbstmähdigen Wiesen, wie
sie heute viele der sogenannten schutzwürdigen Biotope darstellen, erlaubt es
das fehlende oder nur sehr zurückhaltend eingesetzte Regulativ der Pflege oft
einzelnen Arten, sich zu Lasten der anderen durchzusetzen. Große Brennnessel,
Schilf, Rohr-Glanzgras, Fiederzwenke, Land- und Woll-Reitgras, Weiches Honiggras,
Ausläufer-Rotschwingel, Pfeifengras und Kratzbeere sind neben anderen
urwüchsige Glieder der Flora, die auf Brachflächen zur Dominanz gelangen,
schutzbedürftige Arten erdrücken und die Florenvielfalt reduzieren – von
Pionieren der Gehölzsukzession wie Aspe, Schlehe oder Faulbaum, von Weißer
Waldrebe, Liguster, Him- und Brombeeren ganz zu schweigen. Auf Felsen und
Mauern kann selbst der Efeu zum Problem werden, wenn er mit seinem dichten
Teppich alles verdrängt.
Wo
Unduldsame Arten können schutzwürdige Pflanzengemeinschaften pder seltenere Elemente der angestammte Flora verdrängen, Böden erosionsanfällig
oder stickstoffreich machen oder - wie Riesen-Bärenklau und Ambrosie - gar die Gesundheit bedrohen. Sie werden damit selbst zum Gefährdungsfaktor, – sie zwangsläufig
sehr kritisch zu sehen.
Unduldsame Neophyten
Traubenkraut (Ambrosia artemisiifolia) Aquarell von W. WUKOWITZ, Oberaudorf.
Ca. 20 Neophyten (1 % der niederbayerischen Sippen) fallen besonders unangenehm auf – speziell einige sehr stattliche, durchaus
attraktive Gewächse, an deren Ausbreitung Menschen ein besonderes Interesse
hatten. Sie erfüllen die Kriterien sogenannter invasiver gebietsfremder Arten oder IAS (invasive alien species), indem sie Vorkommen schutzwürdiger Lebensräume gefährden oder beeinträchtigen oder ernsthafte gesundheitliche Probleme verursachen (Traubenkraut). Wo sie erstmals auftreten,
soll die Ansiedlung verhindert werden – besonders wenn es sich um
Staudenknöterich, den Riesen-Bärenklau oder das Indische Springkraut handelt. Auf keinen Fall dürfen sie in die Landschaft ausgebracht werden, und es muss auch vermieden werden, sie in Gärten oder Anlagen zu pflanzen
oder zu säen, da von hier aus oft die Ausbreitung in die freie Landschaft" erfolgt. Besonders kritisch sind Bestände in der Nähe von Fließgewässern; diese sind
meist sehr wirkungsvolle Ausbreitungspfade. – Im Einzelnen handelt es sich in Niederbayern vor allem um die Pflanzen der folgenden Tabelle.
Besonders unduldsame Neophyten Niederbayerns (Schwarze Liste)
Taxon |
Bezeichnung |
Attribut |
Herkunft |
KRAUTIGE LANDPFLANZEN: |
Fallopia
sachalinensis (=Reynoutria s.) |
Sachalin-Staudenknöterich |
Knöterich der Große, der Eroberer |
Japan, Sachalin |
Fallopia japonica (=Reynoutria j.) |
Japan-Staudenknöterich |
|
Ostasien |
Fallopia x bohemica |
Bastard-Staudenknöterich |
|
Erst in Europa entstandener Bastard! |
Heracleum
mantegazzianum |
Herkulesstaude,
Riesen-Bärenklau |
er nimmt's mit jedem auf |
Kaukasus |
Impatiens
glandulifera |
Indisches
oder Drüsiges Springkraut |
kleine Geschoße mit großer Wirkung |
Indien |
Solidago gigantea |
Späte Goldrute |
teure Rutenstreiche |
Nordamerika |
Helianthus tuberosus |
Topinambur |
ersetzt nicht nur die Kartoffel |
östl. Nordamerika |
Solidago canadense |
Kanadische Goldrute |
|
Nordamerika |
Rudbeckia
laciniata |
Schlitzblättriger Sonnenhut |
sein Schatten trifft die Anderen |
>östl. Nordamerika |
Lupinus polyphyllus |
Staudenlupine |
das schöne Biest |
Nordamerika |
Ambrosia artemisiifolia |
Traubenkraut, Ambrosie |
|
Nordamerika |
GEHÖLZE: |
Prunus serotina |
Späte Traubenkirsche |
Zeitbombe im Wald |
Nordamerika |
Robinia
pseudacacia |
Robinie, Falsche Akazie |
weh dir, wenn du kein Fett verträgst |
Nordostamerika |
Rhus hirta (= R. typhina) |
Essigbaum |
Unterwanderung macht sauer |
Nordamerika |
WASSERPFLANZEN: |
Elodea nuttallii |
Schmalblättrige Wasserpest |
die zweite Pest ist ärger als die erste |
östl. Nordamerika |
Die größten Probleme bereiten derzeit die Staudenknöterich-Arten, gefolgt vom Riesen-Bärenklau (Herkulesstaude).
Eine weitere umfangreichere Gruppe von Neophyten kann punktuell, längerfristig aber auch regional zu Konflikten führen und dann auch Bekämpfungsmaßnahmen erfordern. Auch bei diesen Arten sollten Neuansiedlungen beseitigt werden, wo die Gefahr einer weiteren Ausbreitung oder der Beeinträchtigung schutzwürdiger Pflanzenbestände oder Lebensgemeinschaften besteht. Vor allem aber sollte ihre Ausbreitung dokumentiert und verfolgt werden, um ggf. rasch gegensteuern zu können:
Auswahl weiterer kritischer Neophyten Niederbayerns
("Watch-list"; alphabetische Anordnung)
Taxon |
Bezeichnung |
Anmerkung |
Herkunft |
Acer negundo |
Eschenahorn |
|
Nordamerika |
Aconogonon polystachium |
Bergknöterich |
|
Himalaja |
Artemisia verlotiorum |
Chinesischer Beifuß |
|
China |
Aster novi-belgii agg. |
Neubelgische Astern |
|
Nordamerika |
Bunias orientalis |
Östliches Zackenschötchen |
besonders Donaudeiche |
Südosteuropa |
Cotoneaster (fernöstliche Arten) |
Felsenmispel, Zwergmispel |
|
China |
Cytisus scoparius |
Besenginster |
|
Schwarzwald |
Dipsacus strigosus |
Borstige Schuppenkarde |
|
Südrussland |
Echinops sphaerocephalus |
Kugeldistel |
|
Südeuropa |
Impatiens parviflora |
Kleinblütiges Springkraut |
in Wäldern zum Teil flächendeckend |
Kaukasus, Armenien |
Lamium argentatum |
Florentiner Goldnessel |
|
Züchtung |
Mahonia aquifolium |
Mahonie |
|
westl. Nordamerika |
Parthenocissus inserta |
Wilder Wein |
|
Nordamerika |
Rubus laciniatus |
Schlitzblättrige Brombeere |
|
Züchtungsprodukt |
Sanguisorba minor ssp. polygama |
Stachelfrüchtiger Wiesenknopf |
|
Mittelmeergebiet |
Senecio inaequidens |
Schmalblättriges Greiskraut |
|
Südafrika |
Syringa vulgaris |
Gewöhnlicher Flieder |
|
Südosteuropa |
Weiterführende Links:
Für die Mitteilung von Wildvorkommen des in Niederbayern bisher nur sehr unzureichend kartierten Riesen-Bärenklaus (Verbreitungskarte) und des Traubenkrauts bin ich dankbar; hierfür steht ein elektronisches Meldeformular bereit.
Eine kostenlose CD-Rom mit der Powerpointpräsentation "Neophyten in Niederbayern" (120 MB!) können Sie unter meiner Dienstadresse anfordern. |